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Gute Mine

Holzstift ist nicht gleich Holzstift. Aber nicht immer wissen Menschen, warum gute Stifte geschmeidig sind und minderwertige Stifte kratzen. „Qualität“ ist ein vielgenutzter Alltagsbegriff – nur was genau bedeutet es und wie funktioniert das: Qualität herstellen? Helmut Zeilinger, Technischer Produktmanager bei Faber-Castell, gibt Einblicke: in Holzqualität, Pigment – und wie wichtig der richtige Spitzer ist.

Für Qualität muss man sich Zeit nehmen.

Helmut Zeilinger, Technischer Produktmanager bei Faber-Castell

Kennst du aus deiner Kindheit den Moment, wenn du einen Bleistift spitzt, und plötzlich ist da ein leichter Widerstand? Der Grund dafür ist das Holz, denn Stifte werden aus zwei Holzstücken zusammengeleimt. Wenn aber eines davon weicher ist, benötigt die härtere Hälfte mehr Kraftaufwand beim Spitzen. Daher der Widerstand. Wenn der Hersteller sich also die Mühe macht, zwei nahezu identisch weiche Holzstücke zu verwenden, kommt dieser Moment nicht vor. „Das ist dann Qualität“, sagt Helmut Zeilinger. 

Qualität ist etwas, das nicht durch Zufall entsteht. „Für Qualität muss man sich Zeit nehmen“, unterstreicht Zeilinger. Und zwar schon bei der Überlegung, was genau es alles für einen Stift braucht: Holz, eine Mine, Leim – fertig? „Allein für das Holz sind unsere Spezifikationen bei Faber-Castell fast so detailliert wie für Einzelteile in der Autoproduktion“, sagt Zeilinger. Als er 1997 am Stammsitz in Stein zu arbeiten begann, war eines seiner ersten Projekte die Spezifikation des Holzes für Stifte von Faber-Castell: Wie lang, wie breit, wie dicht? Und natürlich soll sichergestellt sein, dass das Holz ohne Astlinien u.ä. angeliefert wird. Denn nur durch all diese Details ist garantiert, dass am Ende ein Stift den hohen Anforderungen entspricht.

Mangelnde Qualität muss nicht sein!


Der erwähnte kurze Widerstand beim Spitzen mag für manche Benutzer*innen ein eher unwichtiges Ärgernis sein – aber er ist eben nur ein Beispiel, wie unsaubere Verarbeitung und nachlässige Planung zu zahlreichen Fehlern führen können. Ein Stift soll nicht splittern, die Mine darin soll nicht brechen, und sie soll sich auch nicht vom Holz lösen. „Manche hatten vielleicht in der Schule noch solche Stifte, bei denen man die Mine durchschieben und das Holz als Blasrohr verwenden konnte. Hatte ich auch“, sagt Zeilinger. Genauso wie er sich an Bleistifte und Buntstifte erinnert, die beim Schreiben gekratzt haben, kaum Farbkraft besaßen oder denen beim Spitzen ständig die Mine brach. Heute weiß er, dass alle diese Störfaktoren ein Ausdruck mangelnder Qualität sind – und nicht sein müssen. 

Zeilinger hat sich besonders in die Feinheiten des Anspitzens von Stiften eingearbeitet. Und einige Erkenntnisse gewonnen, die ihn teils selbst überrascht haben. „Kaum jemand denkt über das Spitzen nach“, hat er festgestellt. Manche Menschen kaufen hochwertige, teure Stifte, aber verwenden über viele Jahre denselben Spitzer. „Das Spitzmesser wird mit der Zeit stumpf, so wie jede Rasierklinge und jedes Küchenmesser“, sagt Zeilinger. Dann reißt es Krater in das Holz und beschädigt die Mine. Wer etwa zwölf Stifte zu Stummeln gespitzt hat, sollte den Spitzer austauschen. Zeilingers Team hat das analysiert und errechnet.

Der richtige Winkel zum Spitzen


Mehr noch: Zeilinger stellte fest, dass Bleistiftminen und Buntstiftminen komplett verschiedene Spitzer benötigen. „Der Spitzwinkel ist entscheidend“, sagt er. „Wenn ich Buntstifte zum Beispiel zu spitz anspitze, bricht die Mine leichter, weil sie weicher ist als die Graphitmine eines Bleistifts.“ Das ist nicht nur ärgerlich, es ist letztlich auch Materialverschwendung, wenn ständig nachgespitzt werden muss. Zeilingers „Baby“, wie er es selbst nennt, ist daher die Grip Dreifachspitzdose - ein Spitzer, bei dem die drei Messer jeweils verschiedene Gradwinkel und Spitzöffnungen aufweisen: von 23 Grad für Bleistifte bis zu 30 Grad für Jumbo-Buntstifte. „Übliche Universalspitzer versuchen normalerweise, mit 24 Grad allen Stiften halbwegs gerecht zu werden“, sagt er. Auch das gehört zur Suche nach Qualität: eine Schräge leicht zu verändern – mit nachhaltigem Effekt für die Stifte.

Oder anders gesagt: Forschung und Entwicklung sind wichtig, um Qualität zu erschaffen. Denn einerseits bedeutet Qualität etwas Zeitloses: „Kunden, die vor 40 Jahren einen Bleistift von Faber-Castell in der Hand hielten, und ihn als geschmeidig und wertig empfanden, sollen heute genau dasselbe fühlen“, sagt Zeilinger. In der Tat gelten die Grundrezepturen, die Lothar von Faber vor rund 180 Jahren entworfen hat, auch heute noch, insbesondere was die von ihm festgelegten Härtegrade angeht. Andererseits aber kann das Streben nach Qualität niemals stillstehen. Mit jeder neuen Erkenntnis über Werkstoffe oder Prozesse ergeben sich auch neue Möglichkeiten für Innovation. So wie die Wahrnehmung, dass dreieckige Jumbo-Stifte besser in der Hand von Schreibanfänger*innen liegen als sechseckige Stifte. Oder wie die Entwicklung des Faber-Castell Dust-Free Radiergummis, der nicht krümelt. „Wir setzen uns immer zur Aufgabe, innovativ zu sein“, sagt Zeilinger. „Wir wollen als erster auf den Markt kommen mit Produkten, die so keiner hat.“

Künstler*innen legen Wert auf Lichtechtheit


Innovation also, ohne gleichzeitig den Markenkern zu verändern. Die Kund*innen müssen sich darauf verlassen können, dass sie Qualität bekommen, wenn sie einen Markenbleistift von Faber-Castell kaufen, sagt Zeilinger: „Ich überlege ja auch nicht, aus welchem Material der Motorblock meines Autos besteht, ich erwarte, dass er funktioniert.“ Ähnlich vertrauensvoll sollen Kund*innen guten Gewissens zu Faber-Castell greifen können. Womit Zeilinger den Bogen geschlagen hätte zum Anfang: Der Sorgfältigkeit und der Konzentration auf Details, schon bevor die Produktion überhaupt beginnt. „Prozesssicherheit“, betont Zeilinger. „Das bedeutet, dass die von uns festgelegten Standards auf jeden Fall in jedem einzelnen Stift eingehalten werden. Ohne Standards keine Qualität.“ So sollen zum Beispiel Buntstifte nicht zu viele Füllstoffe enthalten, mit denen die Farbe abgeschwächt wird: „Sonst verdirbt man ja den Kindern direkt den Spaß und die Freude am Malen.“
Das sei nicht zuletzt für eine wichtige Zielgruppe entscheidend: Künstler*innen, also jene Profis, die besonders hohe Ansprüche an ihre Buntstifte haben. Genauer gesagt an die Pigmente, die im Buntstift verarbeitet sind. „Pigmentherstellung ist heutzutage Hochtechnologie“, formuliert es Zeilinger. Im Labor wird analysiert und geprüft, damit Pigmente sich auch bei Sonneneinstrahlung nicht verändern: „Künstler legen großen Wert auf Lichtechtheit, schließlich möchten sie, dass ihre Werke der Nachwelt erhalten bleiben“, sagt Zeilinger. Und genauso erwarten Künstler*innen, dass die Farben punktgenau exakt sind – also nicht etwa durch kleinste Anteile anderer Farben verunreinigt sind, weil zuvor im Farbmischkessel eine andere Farbe hergestellt wurde. Auch das ist Prozesssicherheit. „Profis geben dann natürlich auch mehr Geld für einen Stift aus, wenn sie sich auf solche Parameter verlassen können“, fügt Zeilinger hinzu: „Bei Farbabstrich und Mischverhältnis oder bei ‚mixed texture‘ Techniken wie der Mischung aus Aquarell und Polychrom kommt es auf identische Farbe an.“

Keine Mine soll brechen


Der Stift, der auf den ersten Blick so schlicht wirkt, besteht also aus einer Vielzahl von Details, Entscheidungen und Prozessschritten, die ihn qualitativ hochwertig machen können – oder eben nicht. Faber-Castell hat sich voll und ganz für die erste Variante entschieden. Ganz im Sinne des im Jahr 2016 verstorbenen Firmenchefs Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell: Regelrecht berühmt waren seine Auftritte auf dem Turm des Schlosses in Stein, von dem er vor den Augen von Besucher*innen 166 Stifte warf. 25 Meter tief. Und sie anschließend der Länge nach aufschnitt, um zu beweisen: Keine Mine war gebrochen. „Das ist Qualität“, sagt Zeilinger.